Ein schmaler Pfad führt hinauf zum hölzernen Hof, der sich in die sanften Hügel der Region Horjul, unweit von Ljubljana, schmiegt. Strahlender Sonnenschein wechselt sich ab mit Regenschauern – Herbst in Slowenien. Aber das macht der kleinen Truppe, die hier zu Besuch ist, nichts aus. Das Team des Berliner Sternerestaurants Horvarth ist für ein „Four Hands Meeting“ zu Gast bei Luka Košir und seinem Restaurant Grič. Da wird zwischen Weinbergen, Ziegenherden und Gewächshäusern gewandert und gefachsimpelt. Die Köche pflücken Beeren, Brennnesselspitzen, junge Karotten, violette Kräuterblüten. Sie diskutieren nicht über „Gerichte“, sondern über Texturen, Temperaturen und Geschichten. Es entsteht eine Art kulinarische Kartografie: Wo kommt die Zutat her? Wie wächst sie, wie gedeiht sie? Welche Erinnerung trägt sie mit sich? Da werden auch mal viel zu scharfe Chilis probiert, der lokale orange Wein getrunken und es stehen Besuche bei den Nachbarn an, die für ihren Ziegenkäse berühmt sind. Es ist ein Austausch von Freunden, ähnlich in Ihren Haltungen und Herkünften.
Zwei Köche, zwei Philosophien – und doch ein gemeinsames Herzschlagen
Hier, wo die Natur so präsent ist, dass sie den eigenen Atemrhythmus diktiert, hat Luca Kosic sein Gric aufgebaut, das zu den besten Lokalen Sloweniens zählt – einem mit guten Lokalem wahrhaftig gesegneten Land. Slowenien ist ein Mekka für Foodies. Das Grič ist ein familiengeführtes Restaurant, aber was für eins: der Chefkoch hat sich zwei Messer bei den „Best Chef Awards“ erkocht. Das ist Top oft the Tops. Luka Košir gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer neuen, verwurzelten slowenischen Küche. Sein Restaurant Grič hat wundervolle eigene Gärten und Gewächshäuser, in denen Kräuter, Wurzelgemüse und alte Gemüsesorten wachsen, die kaum jemand mehr beim Namen nennen kann. Er zieht Kräuter, sammelt Pilze, die Käse und Schinken kommen von nachhaltigen Produzenten aus dem Dorf, die Weine unter anderem von revolutionären Biowinzern aus der Karstregion. Ein Herzstück aber ist die eigene Entenzucht – eine kleine Freilandhaltung, die er über Jahre verfeinert hat, mit Respekt für Tierwohl und natürlichem Rhythmus.
Auf der anderen Seite steht Sebastian Frank, Küchenchef und kreativer Kopf des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants Horváth in Berlin. Frank ist ein Poet der Reduktion. Seine Küche ist unglaublich kreativ. Und der stets Neugierige ist geduldig in seiner Passion, die besten Zutaten aufzuspüren. So werden schon mal drei Jahre an einer Rezeptur getüftelt oder Auberginen innovativ in ein Dessert eingearbeitet. Wiederkehrende Themen sind Rauch, Bitterkeit, Fermentation und ein tiefes Studium des Geschmacks. Frank kocht nicht laut, sondern voller Respekt für Frische und Geschmack - auch er hält Hühner und zieht Gemüse und Kräuter, die er dann in seiner Küche verwendet.
Dass diese beiden Köche zusammenfinden, ist kein Zufall. Beide stehen für einen kulinarischen Anspruch, bei dem Handwerk vor Dekor steht, Herkunft vor Exotik und Verantwortung vor Effekthascherei. Es ist jeweils eine erdige, naturnahe Küche. Aber einmal übersetzt in die Küchentradition Sloweniens, zum anderen in die Moderne Berlins verwoben.
Gleich zu Beginn eine Katastrophe
Das Treffen der beiden Kochteams ist von langer Hand geplant – und doch geht schief, was nur schiefgehen kann. Die liebevoll vorbereiteten Zutaten, das Arbeitsmaterial, die Messer, die Weine, die das Horvarth-Team mitbringen wollen, gehen am Flughafen Berlin verloren. Auch wenn die größtmöglichen Anstrengungen unternommen werden – das kulinarische Gepäck taucht nicht wieder auf. Es muss also alles von Grund auf neu gedacht werden. Dabei hilft eine Herangehensweise von Sebastian Frank. In Seinem Lokal gibt es ein Gericht „Aus meinem Garten“, bei dem er tagesfrische Gemüse, Kräuter, die Eier seiner Hühner zu einer Hommage an die Natur komponiert. So geht er auch jetzt vor. Und die Gärten und die Vorratskeller des Grič werden zur Rettung des „Four Hands Meeting“.
Vorbereitungen für den großen Tag
Im Grič laufen schon am Vortag die Vorbereitungen in der Küche auf Hochtouren, alle helfen mit. Brote werden gebacken, Fleisch mariniert, Weine ausgewählt, Saucen eingekocht und Desserts kaltgestellt. Und nebenbei kommt noch der befreundete Fischhändler überraschend mit einem 200 Kilo Bluefin-Tuna vorbei. Der wird schnellstmöglich in der Vorratskammer eingefroren, auch wenn es Luka Košir so gar nicht in den Zeitplan passt. Der Fisch ist verstaut und jetzt wird erstmal gegessen – keine Sterneküche für die Gäste aus Berlin, sondern großartige slowenische Teigtaschen mit Fleischfüllung. Dazu die hausgemachten Saucen, selbst fermentiert und eingekocht aus Resten. Verschwendet wird nichts. Auch der Fischhändler und dessen Familie essen mit – man kennt sich eben, alle gehören zur kulinarischen Großfamilie. Um die Berliner Gäste auf Slowenien einzustimmen, legt Kosic die „Original Oberkrainer“ auf.
Das Menü – ein Dialog, kein Duell
Am kommenden Tag dann das große Fest. Es gab keine fixe Sitzordnung. Für die Gäste, darunter sogar Ana Roš, die kulinarische Ikone Sloweniens und mehrfach als weltweit beste Köchin ausgezeichnet, und ein Paar aus Hawaii, das extra für das kulinarische Erlebnis angereist war, viel slowenische Prominenz, ESC-Teilnehmer und andere Köche, war das „Four Hands Meeting“ ein Erlebnis – aber nicht im Sinne von Spektakel. An der Theke gab es Wein, mit dem wanderte man von Station zu Station, schaute den Köchen zu, probierte, unterhielt sich mit anderen Gästen – wie eine gute, alte traditionelle Küchenparty – nur auf Sterneniveau.
Das resultierende Menü war, trotz Improvisation, ein Fest für alle Küchenliebhaber. Oder gerade deswegen. Manche Gerichte so einfach wie ein unglaublich frischer Burrata mit Tomaten und Kräutern aus dem Garten, die Suppe wurde in Salatblättern serviert, Spaghetti-Kürbis mit Misocreme verfeinert, ein Eigelb mit Pfifferling veredelt oder Ravioli wurden mit dem berühmten getrockneten Sellerie vom Horvarth überhobelt, der im Ganzen gegarte Selleriekopf bleibt ein Jahr in seiner Salzkrustenhülle, bis er völlig trocken und voller Aroma ist. Den Sellerie hatte Sebastian Frank in seinem eigenen Handgepäck dabei. Ein Glück, denn der ist ein Markenzeichen des Kochs und hätte nicht fehlen dürfen. Luka Kosic grillte Rehfilet, es kam mit grünen Bohnen auf den Teller. Statt den kandierten Auberginen gab es als Ersatz Tomate im Dessert. Nach dem Menü ging es in den Keller, dort wurden weiter Weine probiert, Schinken angeschnitten – ein großes Fest der besten Produkte Sloweniens.
Ein Fest der Nähe – und ein Blick nach vorn
In einer Welt, in der Lebensmittel oft wie Rohstoffe behandelt werden, wirkt dieses Treffen wie ein sanfter Gegenentwurf. Es zeigt, dass Kulinarik nicht das Entdecken neuer Welten braucht, sondern das Wiederentdecken des Nächsten. Es ist ein Bekenntnis zur Sorgfalt, zur Langsamkeit und zu einer Küche, die nicht nur konsumiert, sondern verstanden werden möchte. Slow Food im allerbesten Sinne.
Und vielleicht ist das die leise, aber deutliche Botschaft dieses Treffens: Große Küche entsteht dort, wo Köche nicht nur mit Zutaten arbeiten, sondern mit Landschaft, Jahreszeit und Verantwortung. Dort, wo Hände denken. Und wo Hände teilen.
Slowenien:
https://www.slovenia.info/de/geschichten/entdecken-sie-einzigartige-gastronomische-erlebnisse
https://www.slovenia.info/de/planen-sie-ihre-reise/publikationen/kulinarik
Restaurants:
https://www.restaurant-horvath.de/
Text und Bilder: Katrin Hilger
