Die Kakaobohne – ein Schatz der Natur
Die Kakaobohne, Kernbestandteil jeder hochwertigen Schokolade, ist ein Schatz der Natur, und wie jeder Schatz ist diese recht selten. Der Kakaobaum wächst nur in einem engen Bereich um den Äquator, dem sogenannten Kakao-Gürtel. Der Löwenanteil der Bohnen wird von der Elfenbeinküste und Ghana in die Welt exportiert, ein weiteres Zentrum der Kakaoproduktion ist Mittel- bzw. Südamerika.
Der Kakaobaum wird oft als eine Diva des Regenwaldes bezeichnet, denn er braucht besondere Bedingungen für sein Gedeihen. Als typischer Unterholzbaum benötigt er ein gleichmäßig feuchtes Klima und schattenspendende Begleitpflanzen wie etwa die Banane. Nur am Stamm und an den Ästen selbst wachsen die Früchte, die erste Ernte ist ab einem Alter ab 6 Jahren möglich. Nur fünf Prozent der Blüten entwickeln sich schließlich auch zu Früchten, die in reiner Handarbeit geerntet werden. Dass die Blüten und Früchte sich an jedem Baum das ganze Jahr über entwickeln, macht die Ernte nicht einfacher, eine „Erntesaison“ gibt es nicht.
Die Arten Criollo Edelkakao (Südamerika) und Forastero Konsumkakao (Afrika) sowie die Hybridform Trinitario bilden das Sortenspektrum.

Folgen des industriellen Anbaus
Die Bedürfnisse des Baumes und die Erntebedingungen legen einen extensiven Anbau nahe, aber die große weltweite Nachfrage nach Schokolade übt einen starken Druck auf die Erzeuger aus - Schokolade ist sozusagen in aller Munde. So belegt Schokolade im Verbrauchs-Ranking der Süßigkeiten regelmäßig den ersten Platz. In Zahlen: 2022 betrug der pro-Kopf Durchschnitt in Deutschland fast neun Kilogramm. Und damit nehmen die Deutschen nur den vierten Rang in Europa (Statista 2024/Sandra Ahrens) ein. Neueste Untersuchungen liegen für Deutschland inzwischen bei 9,2 Kg.
Ist Schokoladenkonsum also ein Luxus, wie etwa der Chefpatissier Ian Baker im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski, in Bezug auf qualitativ hochwertige Schokolade meint (Test dunkle Schokolade, SZ vom 3.3.2023)? Eine 100 Gramm Tafel guter dunkler Schokolade sollte seiner Meinung nach zwischen acht und zwölf Euro kosten.
Ein Zielkonflikt Luxusgut versus Allerwelts-Ware zeichnet sich somit ab. Auf der Angebots-Seite wird versucht, den Anbau der Kakaobohne zu „industrialisieren“. Um die Kakaobohne „massentauglich“ zu machen, wird der Kakaobaum in einer Weise gepflanzt und bewirtschaftet, wie es seinen Bedürfnissen so gar nicht entspricht. Monokulturen auf oft ungeeigneten Böden, eine viel zu dichte Bepflanzung ohne die essentiellen Begleitpflanzen sowie vorzeitige Aberntung und Begrenzung der Wuchshöhe bringen nur kurzzeitigen Erfolg. Und haben die Nachteile, die jede Monokultur mit sich bringt: Bodenerosion, Rückgang der Biodiversität, Anfälligkeit für Parasiten und Pilzkrankheiten, Auslaugung von Nährstoffen. Um die Bäume auch ohne Begleitpflanzen, dicht aneinander in Reih und Glied, pflanzen zu können, sorgen zum Beispiel über die Bäume gespannte Netze in den Kakaoplantagen für kärglichen Schatten und halten „Schädlinge“ davon ab, an die Stämme und die Früchte zu gelangen. Die Kehrseite: mit den Schädlingen kommen auch die Bestäuber nicht mehr an die Bäume heran, die Fortpflanzung muss durch den Menschen erfolgen, die Pflanzungen müssen fortlaufend erweitert und erneuert werden.
Hinzu kommen in jüngster Vergangenheit Missernten aufgrund von Dürren, Starkregen und gestiegenen Temperaturen sowie Klimaphänomene wie El Niño, die die Verfügbarkeit des Rohstoffes stark einschränkten und die Preise des „schwarzen Goldes“ in die Höhe trieben. Waldrodungen und Spekulantentum tragen ihr Übriges dazu bei.
So hat allein die Elfenbeinküste über die letzten drei Jahrzehnte mehr als 95 Prozent ihres Regenwaldes eingebüßt (Quelle: siehe unten), ein Großteil davon wurde für den Kakaoanbau gerodet, ein anderer Teil für die – oft illegal betriebene – Suche nach Gold oder für den Export tropischer Hölzer. Infolge dessen wird das regionale bzw. lokale Klima immer trockener, mit düsteren Aussichten für die Zukunft – nicht nur des Kakaoanbaus.

Auch die Lage der kleinbäuerlichen Betriebe verschlechtert sich Zusehens. Die industriellen Strukturen mit nur einer Handvoll global agierender Konzerne und mächtiger Supermarktketten lassen diese außen vor und drücken den Abgabepreis für die Bohnen. Circa 5,5 Millionen Kleinbauer-Betriebe erlösen für die Schokolade einer 100 Gramm-Tafel im Durchschnitt nur acht Eurocent (Quelle: siehe unten).
Existentielle Nöte, Kinderarbeit und schlechte Ausbildung stellen die sozialen Schattenseiten des Anbaues dar und hinterlassen bei kritischen Konsumenten einen bitteren Beigeschmack, der nichts mit der Bohne selbst zu tun hat. So „arbeiten“ allein in der Elfenbeinküste und Ghana rund 1,5 Mio. Kinder unter unwürdigen Bedingungen auf den Farmen, oft unter Zwang als moderne Sklaven (Quelle: Bundesentwicklungsministerium BMZ). Selbst aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso werden junge, billige Arbeitskräfte für die Arbeit „importiert“. Diese Fakten sind allseits bekannt und es mangelt nicht an Bekenntnissen, diesen abzuhelfen. Aber die Wahrheit sieht anders aus: trotz aller Absichtserklärungen und Selbstverpflichtungen (Harkin-Engel Protokoll), die Kinderarbeit bis 2005 zu beenden bzw. zu humanisieren, lebt diese zwanzig Jahre später nicht nur unvermindert fort, sondern verschlimmert sich nach wie vor.

Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch fair gehandelte Schokolade
Fair gehandelte Schokolade, die den Bauern ein tragfähiges Einkommen sichert, Kinderausbeutung vermeidet und die Umweltauswirkungen minimiert, ist das Alternativmodell. Damit dieses auch umgesetzt werden kann, bedarf es viel Engagements verschiedener Akteure. Von staatlichen Stellen, die bestehende Umweltschutzgesetze konsequent umsetzen, von den Ländern der nördlichen Hemisphäre, die sie dabei unterstützen müssen. Von den industriellen Strukturen, den Lebensmittelkonzernen, den international agierenden Groß- und Zwischenhändlern, den Supermarktketten. Leider steht man aber hinsichtlich der Umsetzung der hehren Ziele noch ziemlich am Anfang. Ein Fortschritt ist fair gehandelte Schokolade, hier gibt es etwa ein halbes Dutzend von zertifizierenden Stellen/Organisationen, die unterschiedlich streng bei der Erteilung der Siegel wie bei der Kontrolle verfahren. Armut und Kinderausbeutung werden durch festgelegte Preise und garantierte Abnahmequoten sichtlich vermindert, aber Luft nach oben bleibt bestehen. Ähnlich steht es um das Fairchain-Siegel, das weitergehend ist und die gesamte Lieferkette in den Blick nimmt, hier verbleibt von der Wertschöpfung von der Ernte bis zum Verkauf der Schokoladen nicht nur ein größerer Anteil bei den Bauern, auch die Weiterverarbeitung der Produkte geschieht hier regional, was zudem Berufs- und Bildungschancen für die Bevölkerung bedeutet.
Ein weiterer wichtiger Baustein für eine gerechtere Produktion ist die Agroforst-Wirtschaft, sie bildet sozusagen das genaue Gegenmodell zur Monokultur. Durch die Verbindung verschiedener Pflanzungen (plus Tierhaltung) auf einer Fläche in verschiedenen „Etagen“ wird die Biodiversität gestärkt, der Boden mit Nährstoffen angereichert und die Einkommensgrundlage der Betriebe/Familien auf eine breitere Basis gestellt.

Kleine Firmen mit einer großen Rolle
Sie sind die Vorreiter, Bio-Schokoladen Erzeuger, Schoko-Manufakturen, Schokoladen von Bio-Spezialisten. Sie agieren auf Augenhöhe mit den Kakaobauern, garantieren gute Preise und fixe Abnahmemengen, setzen sich in einer Vielzahl von Projekten für die Förderung des Umweltschutzes und der Menschenrechte ein. Seitens der Verbraucher engagieren sich diese Vorreiter damit, den Verzehr von Schokolade als bewusstes Genusserlebnis zu propagieren. Nicht immer mehr von x-beliebig, sondern die überlegte Entscheidung zu höherpreisiger, aber qualitativ hochwertiger Ware, ist der neue Weg. Das ist das Mehr im Weniger, das insbesondere den eigentlichen Produzenten zugutekommt. Hier ist insbesondere die Zusammenarbeit wichtig, mit Zertifizierenden, aber auch Stiftungen, NGOs, Konsumenten-Verbänden und staatlichen Stellen.
Wie das im Einzelnen funktioniert, erläutert Alexander Kuhlmann von der EcoFinia GmbH, die mit der Schokoladenmarke Vivani eine der führenden deutschen Bioschokoladen-Brands in diesem Segment stellt.
Welche Kriterien stellt Vivani an seine Bezugsquellen und wie wird deren Einhaltung kontrolliert?
Wir beziehen ausschließlich Rohstoffe, die zu 100 % nachhaltig zertifiziert sind. Aus sicheren Quellen – von Menschen, die wir kennen. Durch die enge Zusammenarbeit sind wir nah dran, kennen die Leute im Ursprung und können gewährleisten, dass Schattenseiten der Schokoladenindustrie – wie ausbeuterische Kinderarbeit, finanzielle Ausbeutung der Kakaoproduzent*innen, Raubbau und umweltschädigende Methoden – ausgeschlossen sind. Wir arbeiten dran, den direkten Bezug immer weiter auszubauen und den Kakaoanbau in den Ursprüngen unseres Kakaos gemeinsam mit den Menschen vor Ort zukunftsfähig zu machen. Im Sinne einer gesunden Umwelt und für eine bessere Wertschöpfung in der Region, wodurch wir auch zukünftige Generationen vom regenerativen Kakaoanbau begeistern möchten. Unsere unabhängigen Zertifizierer (EU-Bio/Fairtrade DE/Demeter) verifizieren darüber hinaus die Einhaltung aller Richtlinien.Ihr Kakaoprojekt in der Dominikanischen Republik, was sind die Erfolge bzw. Highlights?
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, haben wir gleich mehrere Ökolandbau- und Sozialprojekte ins Leben gerufen – zunächst in der Dominikanischen Republik, dem wichtigsten Anbauland des VIVANI-Kakaos. Mit dem „Sustainable Organic Cocoa Project“ versuchen wir, die teilnehmenden Bauern vom Sinn des Ökolandbaus zu überzeugen, geben Workshops und wertvolle Tipps zur ökologischen Bewirtschaftung der Ländereien. Denn: Wo die Pflanzen mit Bedacht gepflegt werden, gedeihen am Ende mehr Früchte. Unter dem Strich ein besseres Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern. Ein weiteres Projekt sind drei Kakaofincas, auf denen Kakao nach Demeter-Standards angebaut wird. Diese höchstentwickelte Form der ökologischen Landwirtschaft ist extrem profitabel und zahlt in eine gesunde Permakultur ein. Ein neues Projekt ist „Farmer-To-Bar“, mit welchem wir den Weg des Kakaos – und die Menschen, die ihn geerntet haben – für unsere Kunden sichtbar machen. Per QR-Code kann man detaillierte Einblicke in die Lieferkette nehmen. Jeder Scan unterstützt zudem Gemeinwohlprojekte in der Kakaoregion.Wie fördert Vivani die Wertigkeit seiner Schokoladen durch eine exklusive Vertriebsstrategie?
Schokolade sollte generell als ein hochwertiges Genussmittel wahrgenommen werden. Ein Produkt, mit einem aufwändigen Fertigungsprozess – gemacht aus Rohstoffen, die sorgsam eingesetzt werden sollten, da sie endlich sind. Leider wurde durch manch einen Konzern das ursprünglich hochwertige Image von Schokolade durch aggressive Preiskämpfe und Überzuckerung zugunsten einer Massentauglichkeit über Jahrzehnte zunichte gemacht. Heute – wo Kakao immer knapper wird und die Schokoladenpreise steigen – merken wir, was man anrichten kann, wenn man – in einem Wohlstandsland wie Deutschland – alles immer billiger haben möchte. Diese Spirale gehen wir mit VIVANI nicht mit. Für uns stehen die hohe Qualität und die nachhaltige Verantwortung unserer Produkte grundsätzlich an erster Stelle. Leidenschaft, die keine Leiden schafft. Da machen wir keine Kompromisse.

Das Beispiel, und viele weitere, etwa der Agroforst-Kakaoanbau der Bio-Landwirtschafts- und Tourismusorganisation HBD Príncipe auf dem westafrikanischen Inselstaat São Tomé und Príncipe, machen Mut, dass endlich die Entwicklung in eine wirklich nachhaltige Richtung geht und der Zug noch nicht abgefahren ist. Denn ein Schatz muss sorgsam behandelt werden und die Hüter dieses Schatzes fair.
Quelle: https://makechocolatefair.org/probleme/niedrige-kakaopreise-und-einkommen-fuer-kakaobaeuerinnen
Quelle: https://makechocolatefair.org/probleme/entwaldung-im-kakaoanbau
Text: Werner Köstle
Bilder:
Aufmacher: EcoFinia/VIVANI
Bild 1: Dr. Claudia Jörg-Brosche
Bilder 2-5: EcoFinia/VIVANI