Derzeit gibt es zwei Food-Trends, die nicht weiter voneinander entfernt sein könnten: während die einen Verbraucher bei nachhaltigen Bäckern einkaufen, auf Bio achten und sich Zeit fürs Kochen und den Genuss nehmen, setzt der andere Trend auf Fast Living mit Fast Food. Essen im Gehen, am Schreibtisch, schnell auf die Hand und schnell wieder weitermachen. Glücklicherweise entdecken immer mehr Menschen wieder die verbindende und geradezu heilsame Kraft von gutem Essen. Zumindest im Urlaub lassen sich immer mehr Menschen darauf ein, sie nehmen sich Zeit für Genuss.
In Österreich, insbesondere in Kärnten, setzt man auf diesen Trend: Im Lesachtal und im Gailtal befindet sich die erste offizielle Slow Food Travel-Region der Welt. Ein wahres Genießerparadies! Kärnten bewirbt seine wunderbaren Lebensmittel zum einen als echte Attraktion für Touristen, denen nachhaltiger Genuss und bewusster Umgang mit der Natur wichtig ist. Aber auch für die eigene Bevölkerung, denn alte Traditionen sollten auch bei den Menschen vor Ort nicht in Vergessenheit geraten. Zusammen mit der Slow Food Bewegung ist so in den letzten Jahren ein kulinarisches Netzwerk entstanden, das Seinesgleichen sucht.

Slow Food Erlebnisse: Kurse zum Mitmachen
Slow Food Travel ist ein Zusammenschluss von engagierten Partnern, die sich der ursprünglichen Genusskultur verschrieben haben. Sie legen Wert auf die Verwendung saisonaler und regionaler Produkte und die handwerkliche Herstellung erstklassiger Lebensmittel. Deswegen lohnt sich vor dem Besuch in der Region Nassfeld-Pressegger See/Lesachtal/Weissensee in Kärnten immer ein Blick auf die Webseite von www.slowfood.travel – so lässt sich eine wunderbare Route von Schmankerl zu Schmankerl planen, Tische in begehrten Restaurants vorab reservieren oder ein Kurs beim Imker, Eismacher oder dem einen oder anderen weiteren Genusshandwerker buchen.
Touristen können zum Beispiel Meisterbäcker besuchen und sehen, wie richtig gutes Brot entsteht. Nämlich aus regionalen Rohstoffen und mit Natursauerteig nach traditionellen Methoden. Aber nicht nur Bäcker lassen sich bei ihrer Arbeit gern über die Schulter blicken. Besucher haben auch die Möglichkeit, selbst mit anzupacken und damit viel über gute Lebensmittel zu erfahren. Wie etwa bei der Speckproduktion bei Hans Steinwender im Schloss Lerchenhof, von dem man erfährt, warum bei der Reifung nicht „gehudelt“ werden darf. Wer wissen will, wie man feines Speiseeis zubereitet, darf bei Lissis „kuhlem“ Bauerneis hinter die Kulissen blicken. Man kann sein eigenes Bier brauen und dabei sein, wenn Imker ihren goldglänzenden Honig ernten.
Hier noch ein paar Tipps für besondere Genussorte, die Lust machen auf Slow Food und Slow Living. So wie es eigentlich sein sollte.
Obergaile Hanfkulinarik in der Hepi Lodge
Wie sich Helene und Pepi Klingesberger selbst bezeichnen? Als studierte Freigeister mit unbändigem Outdoor-Enthusiasmus. In ihren tatsächlichen Lebensläufen aber stehen Kenntnisse wie Wander-, Berg- und Skiführer - und das in insgesamt sechs Sprachen. Ihre Leidenschaften und offene Weltanschauung wollte das Paar mit gleichgesinnten Gästen teilen und renovierte kurzerhand ein altes Bergbauernhaus in panoramareicher Lage am Fuße der Karnischen Alpen. In liebevoller Handarbeit, mit viel Herzblut und Tatkraft entstand das Apartmenthaus Hepi Lodge, ein Ort, der eine emotionale Verbindung zur Natur und den Bergen schafft. Aber auch kulinarisch gibt’s einiges zu entdecken: Helene und Pepi kultivieren hier in Obergail u.a. Hanf, führen Slow-Food-Travel-Gäste in die vielen Vorteile dieser witterungsbeständigen Pflanze ein und geben Kostproben des nussig-würzigen Sortiments an Hanfprodukten.
Der Geschmack von Bio-Heumilch
Grashalme kitzeln zwischen den Zehen, der Duft von Kräutern liegt in der Luft. Nach der Barfußwanderung zergehen hausgemachte Spezialitäten aus Bio-Heuwiesenmilch auf der Zunge und gleichzeitig ihren zehn Produzentinnen zuwinken, die nebenan gemütlich grasen. Eine Erfahrung mit Tiefe, die in Erinnerung bleibt. Elisabeth Guist bringt ihren Gästen gerne die Kunst der Herstellung dieser nährstoffreichen Spezialitäten näher, von der ersten Heumahd im Juni bis zur Beweidung im Herbst. Als Biobäuerin aus Überzeugung und Naturkosmetik-Expertin bewirtet sie den über 270 Jahre alten Bio-Bergbauernhof „Ederhias“ in Obergail.

Dieser ist Urlaubsdomizil und Weiterbildungsort in einem. Denn Elisabeth kennt das Geheimrezept bester Produkte: artgerechte Haltung, vielfältiges Bergwiesenfutter und viel frische Luft, statt industrieller Massentierhaltung. Kein Wunder, dass die traditionelle Heumilchwirtschaft im Alpenbogen als erstes System im deutschsprachigen Raum als landwirtschaftliches Kulturerbe von globaler Bedeutung anerkannt wurde. Beim Pflücken des eigenen „Bergwiesen-Futterstraußes“ aus all den bunten Blüten, die Elisabeths Milchkühe zu Fressen bekommen, fühlt man sich diesem Erbe wieder ganz nah.

Die Kraft wilder Bergkräuter
Aufgewachsen in einer Lesachtaler Bergbauern-Großfamilie, interessierte sich Klara Obernosterer schon immer für die Geschichten der Pflanzen um sie herum. Den achtsamen Umgang mit der Natur, den sie bereits als Kind lernte, will sie Besucherinnen und Besuchern weitergeben: „Wir lernten durch das Sammeln und Verarbeiten der Wiesenkräuter und Heilpflanzen die Bedeutsamkeit von natürlichen Lebensmitteln für die Gesundheit. Nachhaltigkeit war schon meinen Vorfahren wichtig.“

Mit unendlichem Fachwissen und typischem Kärntner Schmäh führt die diplomierte Kräuter- und Waldpädagogin durch ihre entlegene Heimat, dorthin, wo die wertvollen Bergkräuter und Wurzeln gedeihen. Zurück in Klaras Kräuterhäusl sitzen die TeilnehmerInnen des beliebten Slow Food Workshops dann bei Kaffee oder selbstgepflücktem Tee beisammen und lernen viel über die Herstellung von Naturheilmitteln, die seit Jahrhunderten in den Hausapotheken des Lesachtals Verwendung finden. Beim gemeinsamen Kochen wird beispielsweise Sushi à la Lesachtal zubereitet. Mit Wildkräutern und Pfifferlingen, Gemüse aus dem Garten. Statt Wasabi gibt es frischen Kren.

Alte Obstbaumsorten, neu kultiviert
Schon mal von Pomologie gehört? Es ist die Lehre der verschiedenen Arten und Sorten von Obst sowie deren Bestimmung. Zwei Experten auf diesem fast vergessenen Gebiet sind Philipp Bodner und Eva Hinterbichler. Der Agrarwissenschaftler mit Osttiroler Wurzeln und die studierte Agrarbiologin und Baumwärterin aus Oberösterreich betreiben gemeinsam die Baumschule Fruchttrieb im Gailtal. Auf knapp 1.000 m Seehöhe gedeihen hier seit 2021 Obstbäume und -sträucher, aktuell sogar über 200 verschiedene Sorten.

Bewirtschaftet wird dabei in Handarbeit und organisch-biologisch. Für die beiden Millennials eine beinahe meditative Arbeit, die sie erdet und den Blick frei macht für die wichtigen Dinge. Nämlich die biodiversen Streuobstwiesen bewahren, alte Sorten schützen und eine nachhaltige Landwirtschaft propagieren. Wer sich durch die große Vielfalt an Geschmäckern und Nutzungsmöglichkeiten mancher fast ausgestorbener Sorten testen will, ist hier richtig: Bei der Führung erklären die beiden den ökologischen Wert von Streuobstwiesen – fruchtige Verkostungen von Apfel, Birne, Marille und Pfirsich sowie Beratung für den eigenen Garten inklusive.

Berg See Küche auf Sterneniveau
Hannes Müller, der Chef des Genießerhotels „Die Forelle“ am Weissensee, ist Koch aus Leidenschaft. Sein kulinarisches Herz schlägt für seine Region. Gault Millau Österreich kürte ihn vor kurzem zum „Koch des Jahres 2025“. Vier Hauben und 18,5 von 20 Punkten brachte ihm sein Engagement für innovativ gelebte Traditionen, beste Produkte aus lokalen Betrieben, Nachhaltigkeit und Saisonalität ein. Wer in der „Forelle“ einkehrt, genießt in der „Berg.See.Küche“ alpines Kochhandwerk auf höchstem Niveau. Der Chef selbst denkt nach vorne, bleibt bescheiden, ist naturverbunden und immer wertschätzend.
Sein Ziel ist der Geschmack: qualitativ einzigartig, voll und unverfälscht. „Unplugged“ erlebt man ihm am Holzherd, wenn er für Gäste ein köstliches Fünf-Gänge-Menü ohne Strom zubereitet. Beim Slow-Fisch-Workshop zeigt er Interessierten, wie Wildfisch aus dem Weissensee oder Fisch aus naturnaher Zucht „von der Kieme bis zur Schwanzflosse“ verarbeitet werden kann.

Superfood aus dem Gailtal
Eigentlich kommt er aus Nordamerika: der Aronia-Strauch, kurz Aronia oder Apfelbeere genannt. Seine bis zu drei Meter hohen Stauden tragen Früchte, die das Immunsystem stärken, die Durchblutung fördern und die Zellen schützen. Zudem eignen sich die Beeren hervorragend zur Herstellung von Säften, Marmeladen, Tee oder getrockneten Snacks. Günter Buchacher war Herr der „Karnischen Gebirgsaronia“ im Gailtal. 2.500 Sträucher des angesagten Superfoods sowie ein paar Holunderbüsche hatte der gebürtige Würmlacher, der eigentlich als Stuckateur, Restaurator und Bildhauer in München lebte, auf den heimischen Acker gebracht.
Heute führt Ingrid Buchacher-Toulali die Aroniaplantage mit viel Ehrgeiz und dem Wissen ihres inzwischen verstorbenen Vaters und Pioniers der Hollaronia weiter. Seit fünf Jahren werden die organisch angebauten Pflanzen liebevoll per Hand geerntet und daraus Produkte wie Aronia-Gelee ohne Zuckerzusatz, Marmeladen für Wildgerichte, entzündungshemmenden Direktsaft, Likör und Sirup hergestellt. Letzterer, „Hollaronia“ genannt, vereint das Beste aus Apfelbeere und Weißem Holunder. Ein besonderes Slow-Food-Erlebnis bietet ein Erntetag auf der Plantage mit anschließendem Besuch des alten Bauernhauses, wo die Beeren zu wohltuenden Köstlichkeiten verarbeitet werden.

Vegetarische Genüsse beim Bärenwirt
Der Spruch „zurück zu den Wurzeln“ passt für Manuel und Claudia Ressi in doppelter Hinsicht. Nach 13 Jahren in Wien hat es die beiden wieder in ihre Gailtaler Heimat nach Hermagor gezogen. Und (Wurzel-)Gemüse steht bei Chefkoch Manuel Ressi, aktuell ausgezeichnet mit 16 Gault- Millau-Punkten und drei Hauben, hoch im Kurs. In seiner Slow Food Gemüseküche zeigt er Gästen verschiedene vegetarische Zubereitungsmöglichkeiten und nimmt sie mit auf eine Geschmacksreise in die Region Nassfeld-Pressegger See. Das Stadtleben hat sie inspiriert: Manuel lernte die Spitzengastronomie in all ihren Facetten kennen, Claudia hat studiert und beobachtet. Selbst Eltern geworden, vermissten sie die Natur, die Weite und die Ruhe der Berge.

Sie kehrten zurück, übernahmen den Bärenwirt in der Ortsmitte von Hermagor und erkochten sich mit „verständlicher Wirtshausküche“ aus ehrlichen, unverfälschten Zutaten das Vertrauen der Einheimischen und Gäste. Der Stil des ehemaligen Steirereck-Sous Chefs ist kreativ, regional und überrascht mit aufregenden Geschmackserlebnissen. Besonders erwähnenswert sind die außergewöhnlichen Pâtisserie-Skills, mit denen Manuel seine Gourmet-Menüs abrundet. Neben dem Bärenwirt gibt es auch noch den „Kleinen Bären“ im ehemaligen Nachtwächterhäuschen nebenan: mit stilvollen Unterkünften und einer Showküche für die Kochkurse. Bärenhunger? Nichts wie hin!

Dr. Wiese, Dr. Alm und Dr. Wald bringen die Gesundheit zurück
„Gesundheit durch Natur und Lebensfreude“ lautet das Motto auf dem Peintnerhof. Durch und durch gelebt wird dieser Grundsatz von Andrea Unterguggenberger und ihrem Mann Georg Lexer, seines Zeichens Mediziner. Gäste empfangen die beiden auf ihrem „Auszeithof“ inmitten der heilsamen Landschaft des Lesachtals, umgeben von „Dr. Alm“, „Dr. Wiese“, „Dr. Wald“ und „Dr. Wasser“ in gemütlichen Ferienwohnungen. Alles in ihrem „Blockhaus“ geschieht im Einklang mit der Umwelt. Das beginnt beim Baustoff Holz und reicht bis hin zur Bettdecke aus Schafwolle. Letztere kommt von den am Hof lebenden Kärntner Brillenschafen, die Andrea seit vielen Jahren züchtet.

Kulinarisches wie Brot, Schinkenspeck und Milchprodukte werden selbst gemacht oder stammen aus der Region. Gemüse, Kräuter, Getreide, Obst, Lammfleisch und Forellen liefern der eigene Garten, die Alm, der Kraut- und Getreideacker, die Streuobstwiese, der Stall und Fischteich. Willkommen in einem Erholungsnest, wie es im „Slow-Food-Buche“ steht!

www.slowfood.travel
www.kaernten.at
www.slowfood.travel/de
Dieser Folder informiert u.a. über die einzelnen Betriebe in der Region. Zu finden unter:
https://www.slowfood.travel/PDFs/SFT/Folder_SFT_2025_PRINT.pdf
Text: Katrin Hilger
Bilder:
Aufmacher: Rainer Lesch
Bild 1: Wolfgang Hummer
Bild 2: Hepilodge
Bild 3: Ederhias
Bild 4: Franz Gredl
Bild 4 und 5: M. Hoffmann, slowfood.travel
Bilder 6-7: Manuela Wilpernig_2025
Bilder 8-9: Ingrid Toulali und Peter Meier
Bild 10: Manuela Wilpernig_2025
Bild 11: Andrea Unterguggenberger