Wer an die Algarve denkt, sieht oft zuerst das Postkartenbild: goldene Klippen, türkisfarbene Buchten, ein Himmel, der kaum je müde wird. Doch zwischen den Stränden liegt eine zweite Welt, stiller und zugleich intensiver. Eine Welt, die man schmecken kann. Wer sich darauf einlässt, stellt schnell fest: Der Süden Portugals erzählt seine Geschichten weniger in Worten als in Aromen, Düften und Geschmäckern.
Hauchzartes Salz, von „Schmetterlingen“ geerntet
Die Reise beginnt im hellen, ganz eigentümlichen Licht der Salinen von Castro Marim. Dort, wo die Sonne den Horizont zum Glühen bringt und der Wind nur das Nötigste sagt, entsteht ein Produkt, das an Schlichtheit kaum zu übertreffen ist – und genau deshalb so kostbar wirkt. Flôr de Sal, die hauchzarte Salzblume, wächst an der Wasseroberfläche wie eine seltene Pflanze.

Das erkannte auch Jorge Raiado, der 2007 im Naturschutzgebiet Sapal bei Castro Marim begann, alte, vernachlässigte Salzbecken wiederzubeleben und dort Flôr de Sal zu produzieren – das Unternehmen Salmarim war geboren. Von Hand abgeschöpft, mit der Borboleta, dem „Schmetterling“, wirkt sie fast wie ein Naturwunder in Kristallform. Ein paar Körner genügen, um aus jeder Mahlzeit eine Offenbarung werden zu lassen. Ein einfaches Brot, mit aromatischen Tomaten und gutem Olivenöl wird mit diesem Salz zur Sensation.
Oliven, fein angemacht
Nur wenige Kilometer weiter im Landesinnern wird eine weitere kulinarische Kostbarkeit geerntet: die Oliven. Zwischen Tavira und Olhão stehen Olivenbäume, deren Stämme aussehen, als hätten sie mehrere Leben hinter sich, so verdreht und altehrwürdig stehen sie da. Die Oliven, die hier geerntet werden, wandern nicht in industrielle Prozesse, sondern in Manufakturen, die trotz ihrer Größe eher an Familienküchen erinnern. Das Unternehmen Hélder Madeira wurde 1986 in Tavira auf gerade einmal 35 Quadratmetern gegründet. Heute nehmen die Produktionsanlagen über 1500 Quadratmeter ein. Viel Handarbeit und moderne Maschinen gewährleisten eine konstant gute Qualität. Fast alle Zutaten werden von Produzenten vor Ort bezogen, der Zusatz von Chemikalien ist bei der Herstellung verpönt. Die Oliven werden hier eingelegt, fermentiert, gewürzt – manchmal mit Knoblauch, manchmal mit Chili, manchmal ganz pur. Man spürt sofort, wie viel Sorgfalt in dieser vermeintlichen Alltagsfrucht steckt.
Das Gold der Oliven – bestes Öl
Oder sie werden weiter verarbeitet zu Olivenöl. In Monterosas Mühle rattern die Maschinen im Takt der Ernte, und das grüne Gold fließt in einem Duft, der an frisch geschnittene Zweige erinnert. 1996 begann der Schwede Detlev von Rosen, in den Wintermonaten an der Algarve Gemüse für den nordeuropäischen Markt anzubauen. Das milde Klima der Algarve erwies sich dafür als perfekt geeignet.

Erst später wurden auf einem ehemaligen Orangenhain die ersten Olivenbäume gepflanzt und begonnen, hochwertige Öle herzustellen. Die Öle sind klar strukturiert, sortenrein, kompromisslos im Geschmack.
Zitrusfrüchte fürs ganze Jahr
Richtung Silves verändert sich der Charakter der Landschaft. Zitrusaromen liegen in der Luft, subtil, aber spürbar. Die Algarve ist eine der fruchtbarsten Orangenregionen Europas, und manche Familien widmen sich der Zitruskultur seit Generationen. Auf den landwirtschaftlichen Anwesen der Algarve, den Quintas, wachsen Früchte, deren dünne Schale aromatisch duftet und deren Saft nach einer Art Süße schmeckt, die mehr mit Sonne zu tun hat als mit Zuckrigkeit. Zum Beispiel auf der Quinta da Lameira nahe Alcantarilha, pflanzte der Großvater der heutigen Eigentümer von Dona Laranja 1952 die ersten Orangenbäume. Er hegte und pflegte die Pflanzen, versuchte, ihnen die besten Bedingungen für ein gesundes Wachstum zu verschaffen – und wurde mit süßen, vollreifen, köstlichen Früchten belohnt.

Ein Engagement, das auch sein Sohn und seine Enkel erfolgreich bis in die Gegenwart fortsetzten. Heute beliefert Dona Laranja das ganze Jahr über Genießer in ganz Europa mit den süßen Früchten des Südens. Mehr als 20 verschiedene Sorten gewährleisten, dass Orangen und Clementinen an neun Monaten im Jahr und saftig-aromatische Zitronen zu jeder Zeit geerntet werden können.
Seit der Bronzezeit beliebt: Feigen
Weiter im Landesinneren werfen große Feigenbäume kreisrunde Schatten, unter denen schon Menschen vor Jahrtausenden Zuflucht gesucht haben. Ihre Früchte gehören zu den ältesten Kulturobstsorten der Region, schon in der Bronzezeit aß man sie mit Genuss. Sie schmecken warm, fast samtig, und sind in getrockneter Form noch konzentrierter. Feigen sind süß, nahrhaft und gesund – und dabei auch noch kalorienarm. Die großblättrigen Feigenbäume lieben die Sonne und sind relativ anspruchslos beim Anbau – vorausgesetzt, sie werden ausreichend mit Wasser versorgt. Noch besser: Die Bäume liefern im Jahr sogar zwei Ernten. Die Figos Lampos reifen im Mai und Juni, die Figos Vendomos werden im August und September geerntet – und zwar weitgehend von Hand.
Traditionelle Köstlichkeit: die Mandeln
Und dann gibt es die Mandeln. Wenn sie blühen, wirkt die Algarve wie ein Land, das für einen Moment vergessen hat, dass der Winter existiert. Die wunderschöne, zartrosa Blüte am Baum sind ein Naturspektakel, aber die Frucht selbst ist das eigentliche kulinarische Wunder. Doch die Blüte der einst von den maurischen Besatzern in die Algarve gebrachten, kleinen Bäume ist nur der Anfang. Für Genießer stehen die Früchte im Mittelpunkt, die zu Beginn ein bisschen wie Pfirsiche oder grüne Aprikosen aussehen. Das Fruchtfleisch ist zunächst hart und nicht essbar. Ende des Sommers öffnet sich das Samengehäuse, fällt ab und zeigt die Schale der Mandel. Nur der Mandelkern ist essbar. Viele der traditionellen Rezepte stammen aus Klosterküchen, bereits im 16. Jahrhundert wurde die Herstellung von Süßwaren mit Mandeln erwähnt.
Ob als Marzipanfigur, als Torta de Amêndoa oder ganz schlicht geröstet: Mandeln sind eines dieser Produkte, die die Region geschmacklich definieren. In jeder portugiesischen Bar bekommen Besucher zumindest ein kleines Schälchen Mandeln zu ihren Getränken.
Der Schnaps der Erdbeerbäume
Den Abschluss bildet ein Tropfen, der für unseren Gaumen sehr exotisch schmeckt. In den Bergen im Hinterland wächst der Erdbeerbaum, dessen rote Früchte (siehe Aufmacher-Bild) im Herbst weithin leuchten. Trotz des Namens haben die Früchte mit der Erdbeere wenig gemein, sondern sind Heidekrautgewächse. Sie werden kaum frisch gegessen, sondern destilliert. Heraus kommt Medronho, ein Schnaps, der zur Algarve passt. Kräftig, wild, ein wenig kantig. Wer ihn trinkt, versteht sofort, warum er so eng mit der Landschaft verbunden ist, aus der er stammt.
All diese Produkte – das Salz, die Oliven, das Öl, die Zitrusfrüchte, Feigen, Mandeln und schließlich der Medronho – erzählen gemeinsam eine einzige, zusammenhängende Geschichte: die eines Landstrichs, der im Kleinen groß ist. Eine Region, deren Identität sich in Flaschen, Körbchen und Gläsern sammeln lässt, ohne dass sie an Zauber verliert.
Salmarim (Flôr de Sal):
https://www.salmarim.com/en
Hélder Madeira (Oliven & Gewürze):
https://heldermadeira.com/en/
Monterosa (Olivenöl):
https://monterosa-oliveoil.com/en/
Dona Laranja (Zitrusfrüchte):
http://www.donalaranja.pt/de/index.html
Feigenprodukte – Docaria do Sul:
https://docariadosul.pt
Mandeln – O Cabaz Algarvio:
https://www.facebook.com/ocabazalgarvio
I’m Nat: https://iamnat.pt/en/
Johannisbrot – Carob World:
https://www.carobworld.com/en/
Grand Carob: https://grandcarob.com
Text: Katrin Hilger
Bilder:
Aufmacher: Algarve Tourism Bureau_Arbutus
Bild 2: Salmarim; Sabine Schmidberger
Bild 3: Helder Madeira
Bild : Algarve Tourism Bureau_Laranja_creditos_helio ramoas_copia
