Weißkohl, Rotkohl, Wirsing, Grün- und Palmkohl, Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi oder Rosenkohl - die Kohl-Familie ist ausgesprochen vielfältig. Alle diese Sorten stammen ursprünglich vom Wildkohl ab, der in felsigen Landschaften und Gebirgen speziell von Küstenregionen vorkommt und den Menschen schon früh als gesundes, wenngleich recht bitteres, Gemüse diente. In einigen Ursprungsgebieten, wie etwa auf Kreta, ist er noch heute häufig anzutreffen. In Deutschland wächst die Wildform nur auf Helgoland und wird dort „Klippenkohl“ genannt. Aufgrund seiner Bitterkeit findet er kaum Verwendung in der Küche, aber dafür lassen ihn sich Weidetiere und Schnecken schmecken; Hummeln und Bienen finden in ihm eine wichtige Nahrungsquelle.
Spitzkohl, der feine Milde
Der schnellwüchsige Spitzkohl, auch Sommerkohl genannt, besitzt vergleichsweise dünne, blassgrüne Blätter, die dicht zu der konischen Form gewickelt sind, der er seinen Namen verdankt. Er ist milder und verträglicher als andere Kohlsorten. Trotz seine Güte wäre er aufgrund seiner kegeligen Form vor 20 Jahren beinahe ganz aus dem Lebensmittelsortiment verschwunden, da seine industrielle Verarbeitung im Gegensatz zu der seiner runden Verwandten komplizierter und folglich kostspieliger ist.

Unkomplizierter Anbau
Der Spitzkohl eignet sich bestens zum Anbau im heimischen Garten, u.a. dadurch, dass er weniger Platz in Anspruch nimmt als seine runden Artgenossen und sich somit auch für kleinere Flächen eignet. Er liebt lehmige und nährstoffreiche Böden, Sonne oder Halbschatten sowie eine gleichmäßige Bewässerung. Gute Beet-Nachbarn sind beispielsweise Spinat, Tomaten oder Sellerie.
Die ersten Pflänzchen des Jahres können, je nach Sorte, bereits im Januar oder Februar auf dem Fensterbrett oder im Gewächshaus angezogen werden. Nach dem Auspflanzen im März können dann schon im Mai die ersten Köpfe geerntet werden. Spätere Sorten werden vom Frühling bis in den August hinein in einem Abstand von ca. einem halben Meter direkt ins Freiland gesät.
Gesundes Multitalent in der Küche
Wer abnehmen möchte, findet im Spitzkohl einen geeigneten Diätpartner, da er nur 20 Kilokalorien pro 100 Gramm enthält. Zudem ist das Gemüse ausgesprochen gesundheitsfördernd. Dank 200 Milligramm Zink pro 100 Gramm frischem Kohl kann Erkältungen vorgebeugt werden, bioaktive Substanzen wie Sulfide, Flavonoide und Carotinoide wehren freie Radikale ab und schützen so die Zellen, Vitamine und Senföle hindern Harn- und Atemwegsinfekte an ihrer Entfaltung.
Spitzkohl wird von vielen Verbrauchern geschätzt, die andere Kohlsorten eigentlich nicht mögen, denn er ist feiner, zarter, milder und verträglicher und folglich für schnelle, schonende Zubereitungsarten optimal. Gleichzeitig ist er, wie auch die robusteren Kohlarten, fermentier- und dadurch lagerbar.
Seine knackigen, feinen Blätter eignen sich für vielerlei Salate – vom klassischen Krautsalat mit Kümmel, Öl und Essig bis zu orientalischen Varianten mit Kumin, Salzzitronen, Granatäpfeln und viel Petersilie. Er schmeckt cremig als Coleslaw; fein geschnitten und kurz in Butter geschwenkt zum Kartoffelstampf; mit Speck knackig heiß gebraten als frische Krautfleckerl-Variante; aus dem Wok mit Sojasauce, Sesamöl und anderem Gemüse; als Roulade gefüllt mit Fleisch, Fisch oder Getreide; in der Bowl, auf dem Sandwich oder Taco; im Risotto, als Nudelfüllung oder als herzhafter Bestandteil von Flammkuchen.
In seiner relativ kurzen Haltbarkeit liegt wohl sein einziger Nachteil, denn ist er einmal angeschnitten, sollte man ihn in einem feuchten Tuch im Kühlschrank lagern und innerhalb weniger Tage verbrauchen.

Der Arche Passagier „Filder Spitzkraut“
In der südlich von Stuttgart gelegenen, fruchtbaren Ebene mit dem Namen „Fildern“, machen sich engagierte Produzenten gemeinsam mit Slow Food Deutschland für den Erhalt des wohlschmeckenden Traditionsgemüses stark. Im Jahr 2005 wurde schließlich die autochtone Regionalsorte „Filder Spitzkraut“ als Passagier in die Arche des Geschmacks von Slow Food aufgenommen, seit 2012 ist es als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) auch bei der EU verzeichnet.

Die Spezialität weist eine jahrhundertealte Tradition auf. Die erste urkundliche Erwähnung des Krautanbaus auf der Filderebene stammt aus dem Jahre 1501. Das Spitzkraut stellt dabei eine pflanzliche Besonderheit dar, bei der es bis heute unklar ist, ob es durch eine spontane Mutation oder Züchtung entstanden ist.

Das Slow Food Rezept des Monats von Tilo Hamann
Ofenspitzkohl mit Salzzitrone, Knusperspeck und Gremolata

Rezept für vier Personen
Zutaten:
- 2 Stk Spitzkohl (2 Kopf Spitzkohl, der Achse nach mit Strunk geviertelt)
- 1 Schuss Rapsöl (nach Bedarf)
- 50 ml Salzzitronenfond (alternativ Zitronensaft plus eine Prise Salz)
- 50 g Bauchspeck (gestreifter, geräucherter Bauchspeck in dünnen Scheiben ohne Schwarte und frisch gemahlener Pfeffer)
- 1 Stk Bio-Zitrone (mit essbarer Schale, nur den Abrieb)
- 1 Bd Petersilie (gehackt)
- 4 Stk Knoblauch (4 Zehen)
Ofen auf 160°C Ober- und Unterhitze vorheizen. Kohlviertel in einer Pfanne auf den Schnittflächen trocken goldbraun anbraten, mit Rapsöl und Salzzitronenfond beträufeln und Pfeffer darüber mahlen. Mit den Speckscheiben belegen und eine gute Viertelstunde im Ofen backen.
Nun die Gremolata aus Zitronenabrieb, Petersilie und Knoblauch anmischen und kurz vor dem Servieren darüber streuen.
Zu Kartoffeln, Polenta, gutem Brot oder Getreide. Ist die Beilage trocken, passt noch eine Béchamelsauce dazu: Hierfür 30 g Mehl in 25 g Butter hell anschwitzen, mit 600 ml Milch angießen und 5 Minuten unter Rühren köcheln, mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
Tilo Hamann
betreibt mit seiner Frau Manuela im sächsischen Radebeul das Restaurant „Gaumenkitzel“. Sein Leitspruch lautet „Gut, Sauber, Fair“. Es gibt fast nichts, was in der Küche nicht verarbeitetet wird. So sind "Nose to Tail", "Leaf to Root" und "No Waste" nur einige Begrifflichkeiten, die er in seiner Küche umsetzt. Alles wird mit frischen, regionalen und Bio-Produkten zubereitet, die Hauptgerichte umfassen sowohl Fleisch- als auch vegetarische und vegane Optionen.

https://www.gaumenkitzel-radebeul.de
Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher: Stefan Abtmeyer
Bild 1 Krautköpfe: Luka Lübke
Bild 2 Gericht: Luka Lübke
Bild 3 Sauerkraut: Stefan Abtmeyer
Bild 4 Bauer: Stefan Abtmeyer
Bild 5: Gericht Hamann: Luka Lübke
Bild 6 Ehepaar Hamann: Luka Lübke