Mit dem Namen „Bamberger Hörnla“ assoziieren Kunden von Bäckereien in der oberfränkischen Stadt ein leckeres, einem Croissant ähnelndem Plundergebäck. Unter Kennern und Gourmets genießt jedoch auch eine besondere Kartoffelsorte gleichen Namens wie kaum eine zweite einen geradezu legendären Ruf. Dennoch war sie lange Zeit von den Speisekarten selbst gehobener Gastronomie verschwunden und auch im Handel nicht mehr erhältlich. Hätten sich nicht Enthusiasten in einem Förderverein zusammengetan und Slowfood Deutschland diese Spezialität nicht in die Liste der „Arche des Geschmacks“ aufgenommen, kämen die Verbraucher heute nicht mehr in den Genuss des wohl „besten Kartoffelsalats der Welt“ wie die Fans dieser besonderen Knolle behaupten. Zum Glück kam es anders.
Eine Delikatesse mit langer Historie
Erste Berichte über den Anbau der Bamberger Hörnla, auch Bamberger Hörnle oder hochdeutsch Bamberger Hörnchen genannt, reichen in der Ursprungsregion Franken bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, offiziell beurkundet wurde diese Kartoffel schließlich im Jahr 1854. Es wird jedoch vermutet, dass die Sorte noch deutlich älter ist. Die Bamberger Hörnla werden heute noch bzw. inzwischen wieder ausschließlich im Süden Deutschlands kultiviert. Da sie nämlich nie von Saatgutherstellern züchterisch bearbeitet wurde, fehlt sie in der amtlichen deutschen Sortenliste, was dazu führte, dass diese vorzügliche Knolle keine überregionale Verbreitung fand.
Charakteristik und Gründe für den Niedergang
Die Kartoffelpflanze ist kleinwüchsig mit zartem Kraut und schneeweißer Blüte. Die Knollen sind klein und fingerförmig mit einer Länge von ca. 3-10 cm, sind ca. 1,5-4 cm stark, leicht hörnchenförmig gekrümmt und zeigen bisweilen bucklige Aufwölbungen. Die Haut ist glatt, seidenmatt glänzend und hellockerfarben mit einem leicht rötlichen Schimmer. Am Grund der tiefen Augen sitzt ein roter Punkt. Der rötliche Schimmer ist am intensivsten nach der Ernte im September und lässt mit längerer Liegedauer kontinuierlich nach. Bei optimalen Lagerbedingungen hat das Bamberger Hörnla eine äußerst lange Keimruhe und hält sich ohne großen Geschmacksverlust bis Mitte des Folgejahres.
Die für Kartoffelfäule und Schädlinge recht anfälligen Knollen benötigen leichten, nährstoffreichen Boden. Früher wurden sie per Hand gepflanzt und geerntet, mit dem verstärkten Einsatz von Pflanz- und Erntemaschinen verschwand die Sorte ab 1950 aber weitgehend aus dem Feldanbau, da die länglichen Knollen für eine maschinelle Ernte und Sortierung kaum geeignet sind. Somit sicherten lange Zeit nur noch der Gartenbau und die Direktvermarktung das Überleben der Hörnla. Auch der hohe Pflegeaufwand und der geringe Ertrag haben den Anbau über die Jahre immer weniger rentabel gemacht und so wurden auch im Ursprungsgebiet andere Sorten, die einfacher zu kultivieren sind und größere Ernten garantieren, bevorzugt. Diese weisen jedoch nicht die charakteristischen Eigenschaften des Bamberger Hörnla auf.

Besonderes Geschmackserlebnis
Das gelbe Fleisch der Bamberger Hörnla besitzt eine feste Konsistenz. Dass die Hörnla somit nach dem Kochen nicht zerfallen, machen sie zu idealen festkochenden Salat- und Pellkartoffeln. Im typisch fränkischen Terroir gewachsen weist die Sorte einen sehr hohen Stärkegehalt von über 13% auf, der für einen besonderen kräftig-nussigen Geschmack sorgt. Diese „speckige" Konsistenz, die intensiven Aromen und ihr vielschichtiger und intensiver Kartoffelgeschmack machen die Sorte zu einem besonderen Geschmackerlebnis. In der fränkischen Regionalküche begleitet sie in Butter geschwenkt oder leicht gebräunt Fisch- und Fleischspeisen, feine Gemüse und natürlich den fränkischen Spargel. Die hauptsächliche Verwendung erfährt die Delikatesse jedoch bei ihrer traditionellen Zubereitung als (Festtags-)Kartoffelsalat.
Das Bamberger Hörnchen besteht zu etwa 75 % aus Wasser und hat einen Fettgehalt von nur 0,1 Prozent, bis zu 20 % der Trockenmasse sind leichtverdauliche Stärke, die sich positiv auf den Stoffwechsel auswirkt. Hinzu kommt, dass viele Ballaststoffe für einen hohen Sättigungsgrad sorgen, wodurch sich die Sorte für Diäten eignet. Viele Ballaststoffe, Magnesium, Kalium, Calcium, Eisen, Vitamin B1, B2, B6 sorgen für einen hohen Gesundheitswert. Das ebenfalls vorhandene Vitamin C ist hochwertig und mit dem eines Apfels vergleichbar.

Wenn man bedenkt, dass die echte Bamberger Hörnla lediglich einen Anteil von rund 0,001 Prozent an der gesamte Kartoffelmenge in Deutschland besitzt, wird deutlich, dass es sich bei ihr um einer ganz besondere Spezialität handelt.
Der wohl beste Kartoffelsalat der Welt…
Fachleute wie Privatpersonen sind sich uneins, ob in einen Kartoffelsalat Mayonnaise gehört und ob er (lau)warm oder kalt besser schmeckt. Einig sind sich jedoch viele, die das Glück hatten, Bamberger Hörnla kaufen zu können, dass der Kartoffelsalat unbedingt mit dieser Sorte gemacht werden sollte.
Hier eine Zubereitungs-Empfehlung von der Website des Fördervereins Bamberger Hörnla:
Zutaten für zwei Personen:
- 12–14 Bamberger Hörnchen
- 200 ml Rinder- oder Geflügelbrühe
- 1 Essiggurke
- Blattpetersilie
- 50 ml Essiggurkensud (aus dem Glas)
- 1 ½ Teelöffel mittelscharfer Senf
- 40 ml Rapsöl
- Salz/Pfeffer
- 3 Radieschen
- 2 Schalotten
- 3 EL Weißweinessig
Zubereitung:
Die Kartoffeln waschen, dann ungeschält in reichlich Salzwasser weich kochen. Ausdampfen lassen und noch heiß schälen. Die warmen Kartoffeln in Scheiben schneiden.
Schalotten in feine Würfel schneiden und mit der Brühe in einen kleinen Topf geben und auskochen. Die Schalotten mit der Brühe über die warmen Kartoffeln geben, dann Weißweinessig dazu und kurz umrühren. Die Kartoffeln abkühlen lassen.
Die Petersilienblättchen von den Zweigen zupfen und fein hacken. Die Essiggurke in feine Würfel schneiden. Zusammen mit dem Essiggurkensud und dem Senf verrühren und zu den Kartoffeln geben. Den Kartoffelsalat mit einer Gabel vermengen, dabei darf ein Teil der Kartoffeln zerfallen.
Rapsöl langsam dazu gießen und erneut vermengen. Mit Salz und Pfeffer sowie bei Bedarf nochmals etwas Weißweinessig abschmecken. Den Kartoffelsalat dann mindestens 30 Minuten ziehen lassen.
Die Radieschen in hauchfeine Scheiben hobeln, diese unter den Kartoffelsalat heben und den Salat servieren.
Die konzertierte Rettungsaktion trägt Früchte
Im Jahr 2005 wurde die Sorte als herausragend gutes, im Bestand gefährdetes, traditionelles regionales Lebensmittel auch in die Slow Food „Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Im März 2009 wurde dann mit dem lokalen Slow Food Convivium Mainfranken-Hohenlohe und der regionalen Produzentenvereinigung der „Förderverein Bamberger Hörnla in Franken e.V.“ gegründet, der als „Presidio“ anerkannt wurde. Als „Presidi“ werden Projekte bezeichnet, die von der internationalen Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt betreut werden, um lokale und handwerkliche Lebensmittel zu schützen und deren Erzeuger zu unterstützen.


Dank des Engagements von Slowfood und des „Fördervereins Bamberger Hörnla in Franken“ kommen Verbraucher wieder in den Genuss dieser Spezialität
Als die kulinarische Spezialität beinahe gänzlich in Vergessenheit geraten war, wurden verschiedene Kommunikations- und Promotion-Initiativen gestartet, die von einem kleinen Kreis aus Erzeugern, Markthändlern und Restaurants in Bamberg und ganz Franken sowie Fachleuten aus der Bayerischen Landwirtschaftsverwaltung umgesetzt werden. Diese Gruppe besteht derzeit aus 15 Landwirten und Gärtnern, die ein Stück ihres Landes dem Anbau des Bamberger Hörnla widmen. Der Förderverein brachte den Antrag auf Eintragung einer geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) auf den Weg, die schließlich im Jahr 2013 erteilt wurde. Außerhalb der Herkunftsregion darf es seitdem nicht mehr für die Vermarktung angebaut werden bzw. nicht mehr als Bamberger Hörnla bezeichnet werden.
Zudem erfolgte auch die Eintragung der alten Kartoffelsorte in die amtliche deutsche Liste der genetischen Ressourcen. Damit kann der Förderverein auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage eine Erhaltungszüchtung betreiben.

Diese trägt mittlerweile auch dank der Hilfe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft Früchte. Die im Förderverein zusammengeschlossenen Erzeuger verfügen seit 2011 über Pflanzkartoffeln in der Qualität zertifizierten Saatgutes. Ein Meilenstein bei der Erhaltung der feinen Knolle stellte sicher auch ihre Wahl zur „Kartoffel des Jahres 2008“ dar.
Was zu tun bleibt
Trotz aller bisherigen Erfolge bei der geduldigen Aufklärungsarbeit über das echte Bamberger Hörnla verbleiben noch Zukunftsaufgaben, die systematisch bearbeitet werden sollten. Dazu gehört etwa, dass Slowfood bei Ihren internationalen Messeauftritten wie der Terra Madre in Turin, aber auch bei regionalen Veranstaltungen und Märkten, die feine Knolle weiterhin engagiert bewirbt. Ebenso sollten fränkische Gastronomen verstärkt überzeugt werden, die Hörnla auf Ihre Speisekarten zu setzen. Hier könnten auch Gäste durch gezieltes Nachfragen wichtige Impulse geben. Nicht zuletzt sollten die Bemühungen des Fördervereins in Richtung einer, zwischen den einzelnen Erzeugern abgestimmten, Vermarktung weiterverfolgt und auch ein Auge darauf geworfen werden, den bisweilen noch vorkommenden Etikettenschwindel zu unterbinden, bei dem die ähnlich aussehende französische Sorte La Ratte als Bamberger Hörnla ausgegeben wird.

Wo es die edle Knolle gibt
Erzeugt werden dürfen die Hörnla ausschließlich in Franken, insbesondere in den traditionellen Anbaugebieten um Bamberg, Schweinfurt und Kitzingen, aber auch den in jüngerer Zeit hinzugekommenen um Nürnberg, Würzburg und Neustadt/Saale.
Auf der Website des „Bamberger Hörnla in Franken e.V.“ ist eine Liste der derzeitigen Erzeuger eingestellt.
Förderverein Bamberger Hörnla in Franken e. V.
Hauptstr. 19
97253 Gaukönigshofen
Tel. (0 93 37) 9 01 14
info@bambergerhörnchen.de
www.bambergerhörnchen.de
Kontakt des Produzentenreferenten und Presidio-Koordinators:
Rainer Lesch
Tel.: (0 93 37) 9 01 14
E-Mail: r-lesch@t-online.de
Auf Märkten und im Naturkosthandel finden Verbraucher auch außerhalb Frankens wieder vereinzelt Bamberger Hörnla im Angebot. Wem sich eine Gelegenheit zum Kauf bietet, sollte sie auf alle Fälle nutzen.
Text: Peter Grett
Bilder:
Aufmacher: Margret Artzt
Bild 1: Stefan Abtmeyer
Bild 2: Thomas Berberich
Bild 3: Förderverein Bamberger Hörnchen/Antje Rosco
Bild 4: Stefan Abtmeyer