Entspannt cruise ich entlang der Donau, dem zweitlängsten Fluss Europas, der verschiedenste Kulturkreise verbindet und eine reiche Geschichte erzählt. Heute sind die meisten seiner natürlichen Seitenarme verschwunden, der Strom wurde zur regulierten Wasserstraße und Wirtschaftsader. Die Folge: Nur an wenigen Stellen bildet die Donau noch ein Refugium für Flora und Fauna. Es gibt jedoch eine Region in Europa, die als die Heimat der letzten lebendigen Flüsse gilt. Es ist der Balkan und dort vor allem das junge Land Bosnien-Herzegowina, in dem die Natur noch weitgehend intakt ist. Hier finden Naturfreunde Flüsse mit klarem, hellblau bis smaragdgrün schimmerndem Wasser, die von bewaldeten, oft steilen Berghängen gesäumt werden.

Entspannt elektrisch unterwegs

Ich plante meine Reiseroute von Augsburg nach Sarajevo mit einem Zwischenstopp in Wien. Allen Vorurteilen über mangelnde Reisetauglichkeit zum Trotz beschloss ich, die gut 1200 Kilometer lange Strecke mit einem E-Auto, dem IONIQ 5 von Hyundai, zu bewältigen. So viel vorweg: Die lange Distanz ließ sich problemlos ohne lange Verzögerungen meistern, nie keimte die berüchtigte Reichweitenangst auf. Die Gründe dafür liegen einerseits in der Reichweite meines „Stromers“, die im realen Betrieb ca. 400 Kilometer beträgt. Entscheidender für die Reisetauglichkeit ist jedoch die Schnellladefähigkeit eines rein elektrischen Fahrzeugs.

Reisetauglich und komfortabel: Der Hyundai IONIQ 5

Hier wartet mein komfortables, geräumiges Gefährt, welches uns vom Hersteller zu Testzwecken zur Verfügung gestellt wurde, mit einer Besonderheit auf. Wie nur wenige E-Modelle, meist im sechsstelligen Preissegment angesiedelt, verfügt der IONIQ 5 über eine Spannung von 800 Volt, was ihn in die Lage versetzt, sich an einem Schnelllader in nur 20 Minuten etwa 300 Reichweite einzuverleiben.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für eine stressfreie Bewältigung längerer Distanzen ist das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Ultra-Schnellladern, den „Hyperchargern“, entlang der Route. Hier hat sich in letzter Zeit viel getan. Zudem ermöglicht das Angebot der EnBW Energie Baden-Württemberg bereits in 17 Ländern Europas das Laden an mehr als 500.000 Ladepunkten. Um mir auf der Reise nicht nur einen Eindruck vom Fahrzeug, sondern auch von den Lademöglichkeiten zu verschaffen, steuerte ich direkt zu Beginn meines E-Trips den EnBW-Schnellladepark in Unterhaching bei München an.

Kurze Pause am Schnellladepark und schon geht es weiter

Gleich 20 Ladepunkte stehen hier den E-Mobilisten zur Verfügung, was garantiert, nicht auf einen frei werdenden Anschluss warten zu müssen. Und so wurde mein kurzer Ladestopp dann zu einer relaxten Angelegenheit, auch weil die EnBW-Ladekarte, wie im weiteren Verlauf meiner Reise ebenso tadellos funktionierte. So sollte moderne E-Mobilität in der Praxis aussehen: Schnelles Laden von Ökostrom unter einem Solardach, das vor Sonne und Regen schützt.

Treffpunkt der E-Driver: Das Hotel Kaiserhof

Wer sich vom Westen kommend mit dem E-Auto Richtung Wien auf den Weg macht, kommt meist nicht umhin, eine Lade- und Genuss-Pause im nachhaltigen Hotel Kaiserhof in Anif bei Salzburg einzulegen. Und so wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diese außergewöhnliche Attraktion für E-Mobilisten aus ganz Europa mit seinen über 40 Ladepunkten und der steirisch geprägten Küche anzusehen. Bereits von Weitem grüßt hier eine klassische Anzeige mit Preisen, wie wir sie von den Tankstellen kennen.

Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Sprit-, sondern um Strompreise. Das Inhaber-Ehepaar Absenger hat sich nämlich komplett der E-Mobilität verschrieben und bietet seinen Gästen nicht nur Lademöglichkeiten an, sondern vermietet an E-Mobilität Interessierte auch elektrische Autos verschiedener Hersteller und sogar strombetriebene Motorräder.

Konsequent nachhaltig: Das Boutiquehotel Stadthalle

Schließlich In Wien angekommen übernachte ich in einem der nachhaltigsten Hotels des Landes, im Boutiquehotel Stadthalle im Herzen der Stadt. Diese Destination war das erste „Sustainable Development Goals“-Hotel weltweit mit einer Null-Energie Bilanz. Und ja, dort ist tatsächlich nahezu alles auf Nachhaltigkeit ausgerichtet! Selbst die Einrichtung besteht aus recycelten Materialien und zeugt dabei von der außergewöhnlichen Kreativität der Inhaber. So werden etwa Bücher in Sideboards verwandelt, eine alte Leiter dient als Garderobe, alte Teekannen aus Großmutters Kaffeekränzchen-Zeiten fungieren nun als Lampen.

Das Boutiquehotel Stadthalle in Wien ist ein Musterbetrieb in puncto Nachhaltigkeit.

In jedem Detail gibt es etwas zu entdecken, hier geben sich Circular Economy und Recycling die Hand. Beim Frühstück in einem Raum, der vom Märchen Alice im Wunderland inspiriert zu sein scheint, kommen selbstverständlich Bio-Zutaten auf den Tisch. Nach zwei anregenden Kulturtagen in Wien geht es weiter nach Richtung Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina.

Der Balkan ruft

Gleich nach der Grenze zu Kroatien ist der Unterschied in der Natur zu erkennen. Die Wälder sind dichter, und sattes Grün schimmert in der Sonne. Auch auffällig: Die Scheibe meines Wagens zieren mehr Insektenleichen als zuvor. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits aber auch erfreulich, weil hier der Bestand an Insekten offensichtlich noch so hoch ist wie einstmals in deutschsprachigen Regionen. Bevor ihnen Lebensräume entzogen und immer mehr landwirtschaftliche Flächen intensiv bewirtschaftet wurden.

Meine Reichweite liegt nach einer Ladung auf 80 Prozent inzwischen bei deutlich über 400 Kilometern, was den Landstraßen auf der Route zu verdanken ist, die einen zu einer gemächlicheren Fahrweise im Vergleich zu den wenigen Autobahnabschnitten veranlassen. Hinzu kommt, dass der Energieverbrauch durch die Stromrückspeisung (Rekuperation) bei Bergabfahrten verringert wird.

Ruppige Schotterwege, die durch die wilde Natur führen, aber dank Allradantrieb problemlos zu bewältigen waren, gibt es hier viele. Manchmal fährt man bis zu 20 Kilometer durch Wälder oder in Canyons an einem Fluss entlang, ohne einem Menschen oder gar Auto zu begegnen.

Oft führt die Fahrt durch dichte Waldgebiete wie hier im Romanija-Gebirge

Wandern in wilden Bergregionen

In den Bergen treffe ich mich mit Dzevad Dzino und Zehrudin Isakovic, den wohl bekanntesten Alpinisten des Landes. Mit Zehrudin war ich einmal wandern. Es würde eine „leichte“ Tour werden, hieß es. Nun, für jemanden, der auf den Mount Everest gestiegen war, sicherlich, für mich fühlte es sich hingegen an wie ein Vorhof der Hölle … Die Tour ging auf den Berg Prenj, den Himalaja des Balkan. Die Aussicht war fantastisch, doch spürte ich schnell, dass die Natur die Oberhand behält und nicht der Mensch. Auch war ich es nicht gewohnt, dass es keine klassischen Wanderwege wie etwa in Deutschland, Österreich oder der Schweiz gibt, in Bosnien-Herzegowina läuft man einfach durch herrliche Landschaften. Es ist daher auch nicht ratsam, alleine zu wandern, zu groß die Gefahr, sich zu verlaufen. Und dann sind da noch die Bären und andere Waldbewohner. Hier ist immer noch der Mensch der Gast. Und das ist gut so!

Zehrudin und Dzevad gehen oft gemeinsam auf Touren. Während Zehrudin, von Beruf Journalist, etliche Wanderbücher geschrieben hat und eine Video-Reihe über die Berge des Balkans veröffentlichte, ist Dzino ein passionierter Fotograf. Seine Bilder wurden weltweit publiziert, und kaum ein Künstler vermag die Schönheit des Landes so einzufangen wie er. Er wurde in Jablanica geboren, einer kleinen Stadt unterhalb der für ihn zwei schönsten Berge im Lande, dem für mich berüchtigten Prenj und dem Čvrsnica. Wilde Schönheiten, auf denen Wanderer die ursprüngliche Ruhe in der Seele spüren. Mit seinen elf Gipfeln über 2000 Metern über dem Meeresspiegel, von denen jeder für sich einzigartig und anspruchsvoll ist, hebt sich der Prenj von anderen ab. Zehrudin hat ein Buch allein diesem majestätischen Berg gewidmet, der mich Demut innerhalb von wenigen Stunden lehrte.

Unberührte Natur inmitten faszinierender Gebirgslandschaften

Bosnien-Herzegowina scheint allein aus Bergen zu bestehen. Die Kette des Dinariden-Gebirgsmassivs, welches sich durch das ganze Land erstreckt, ist geradezu magisch. Hier kann man das echte, wahre Gefühl des Wanderns in der Wildnis spüren und wird dabei mit Ansichten fantastischer Gipfel, wunderschöner Täler und unberührter Seen belohnt. Doch auch hier ist der Klimawandel zu spüren. Die Vegetation ist in den letzten Jahren deutlich kräftiger und üppiger geworden. In den Tälern dominieren kleine Kiefern und Wacholder. „Ich befürchte, dass wir einige der einzigartigen Wiesen und Täler auf den schönsten Bergen verlieren werden“, erzählt mir Dzevad besorgt. „Ich würde mir wünschen, dass jeder Berg zum Nationalpark erklärt werde, was ein Verbot des massiven Holzeinschlags und der intensiven Jagd beinhalten würde.“ Nur dadurch könne man die Fülle an einzigartigen Naturjuwelen für die nachkommenden Generationen bewahren.

Engagierte Artenschützer

Kaled Idrizovic aus Sarajevo verbringt jede freie Minute auf dem Berg Bjelasnica. Der leidenschaftliche Falkner baut hier in einer privaten Initiative eine Falknerei auf. Sie soll später als Umweltbildungszentrum für Schulklassen und andere Gäste dienen. Als ich ihn besuche, hält er einen der autochtonen grauen Falken auf dem Arm. Man spürt die Symbiose zwischen den beiden. Kaled hat den schwer verletzten Jäger der Lüfte wieder aufgepäppelt. Viele Greifvogelarten sind auch hier vom Aussterben bedroht, und einige von ihnen stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Auch durch das Engagement von Kaled steigt ihre Population wieder: „Im Grunde sind wir kein Verein, der sich mit der Rettung von Greifvögeln befasst, aber Menschen wenden sich oft an uns, wenn sie verletzte Vögel finden, die wir aufnehmen und nach ihrer Genesung wieder in die Wildnis entlassen.“

Dank seines Engagements steigt die Population wieder – Kaled und sein Falke

Der Falke schaut mich neugierig an, ich halte respektvollen Abstand zu ihm. Kaled lacht: „Komm nur näher, er wird dir nichts tun!“ Wir machen gemeinsam Fotos. Ich blicke in die Augen des Falken. Ich bin fasziniert von dieser Schönheit und Kraft. Die Jagd mit Falken geht zurück bis in das mittelalterliche Königreich Bosnien. Schon damals beschrieben Reisende die Jagd mit Falken im Land, welche in ihrer traditionellen Weise auf diesem Gebiet einzigartig war.

Ich fahre weiter zum Gebirge Romanija, etwa 20 Kilometer von Sarajevo entfernt. „Hier wirst du wilden Pferden begegnen“, erklärt mir mein Cousin Faruk. Und tatsächlich! Als die Sonne untergeht, erscheinen sie auf der Weide zum Grasen. Sie sind klein, kräftig und ihr Fell ist dicht. Zwar sind sie nicht scheu, aber sie halten respektvollen Abstand.

Wilden bosnischen Pferden begegnet man bis heute wie hier auf dem Berg Prenj, dem Himalaya des Balkans.

Der Ursprung der bosnischen Gebirgspferde wird beim ausgestorbenen westeurasischen Wildpferd Tarpan und der aus den mongolischen Steppen stammenden Przewalski-Urpferderasse vermutet. Heute sind die Restbestände vom Aussterben bedroht. Eine Ranch auf dem Berg Vlasic in Zentral-Bosnien gewährt ihnen Schutz und stockt somit den Bestand auf. Azra Bekic aus Wien hat zusammen mit ihrem Mann dieses Arche-Gestüt gegründet, wovon sich eines auch in Österreich befindet.

Geologisches Mysterium

Im Mittelalter zählte das Königreich zu den einflussreichsten in Europa. Noch heute zeugen die zahlreichen mittelalterlichen Burgen davon, die über das gesamte Land verteilt liegen. Auf dem Weg nach Bobovac, wo das bosnische Königreich 1377 gegründet wurde, besuche ich einen Ort, der ein mysteriöses geologisches Phänomen aufweist, welches so nur noch in Neuseeland oder der Arktis zu finden ist: Inmitten der Natur wurden Steinkugeln ausgegraben. Etwa 60 davon sind von kleinerem Durchmesser, die größte allerdings wiegt über 30 Tonnen und befindet sich auf einem privaten Grundstück. „Ich hatte sie durch Zufall gefunden, als ich Holz hackte“, erzählt mir Suad Keserovic, der Inhaber des Grundstücks. „Ein Baum fiel um, und unter ihm kam diese glatte gekrümmte Fläche ans Licht. Ich war neugierig und grub weiter. Zum Vorschein kam diese Riesenkugel“. Einige sehen in ihr ein Mysterium aus Meisterhand geformt gleich denen in Costa Rica. Geologen allerdings gehen davon aus, dass sie durch Konkretion, eine allmähliche Materialablagerung, entstanden ist. Wie auch immer – sie und auch die kleineren Exemplare sind besondere Schätze und sind einen Besuch wert.

Mysteriöses geologisches Phänomen: die weltweit größte Steinkugel befindet sich in Bosnien-Herzegowina.

Suad hat einen Platz der Begegnung und der Ruhe nahe der Kugel errichtet. Eine Holzhütte inmitten eines wahren Märchenwaldes, umrahmt von mit Moos und Farn bedeckten Felsen. Suad bereitet mir eine weitere Überraschung vor – und zwar am Herd. Der Naturbursche ist leidenschaftlicher Koch, auch vegane und vegetarische Gerichte zählen zu seinen Kochkünsten. „Ich habe keine Ahnung, wer oder was diese Kugel hat entstehen lassen. Für mich zählt, dass hier ein Ort der Ruhe ist, wo sich meine Gäste mit Mutter Natur verbinden können.“ Suad bringt mir einen Teller mit selbst gesammelten Pilzen in einer Rahmsauce. Natürlich kommt der vollfettige Schmand von einer Bäuerin, und alles ist bio. „Unser Land bietet uns alles, was wir brauchen zum Leben“, erklärt mir Suad. Er lebte lange in Venedig, heute würde er sein Naturparadies für kein Geld dieser Welt wieder verlassen.

Die Naturperle im Südosten Europas

Vier Nationalparks laden die Gäste zum Staunen ein. Jeder von ihnen ist einzigartig und unterschiedlich in seiner Natur.

Sutjeska im Südosten des Landes, an der montenegrinischen Grenze gelegen, ist der älteste. Mit dem Berg Maglic und seinen 2386 Metern Höhe zählt er zu den höchsten des Landes. Auch der Urwald Perucica ist hier zu finden. Die Bäume sind bis zu 300 Jahre alt und stehen an manchen Stellen so dicht, dass es kein Durchdringen für uns Menschen gibt.

Kozara im Nordwesten des Landes liegt gleich zwischen vier Flüssen. Das beliebte Gebiet ist ein perfekter Ort für Wanderungen, Spaziergänge oder einfach mal zu Abhängen. Einer der vier Flüsse ist die Una. Ihren Namen bekam sie von den Römern – übersetzt heißt sie „die Einzigartige“. Und das ist sie in der Tat. Diesen Nationalpark direkt an der kroatischen Grenze darf man nicht verpassen! Der breite Fluss wird gekrönt durch mehrere Stufen Wasserfälle, den Strbacki Buk. Das Wasser ist so rein, dass es hellblau bis smaragdgrün schimmert.

Der Fluß Una, die Einzigartige, wie die Römer ihn nannten, mit dem Wasserfall Štrbački Buk

Und dann gibt es noch den Nationalpark Drina, einem weiteren Fluss gewidmet, allerdings im Südosten an der serbischen Grenze gelegen. Im Altertum zur Zeit der Römer stellte er die natürliche Grenze zwischen dem west- und dem oströmischen Reich dar. Auch ihre Quellflüsse zählen zu den schönsten im Land.

Bosnien-Herzegowina ist mit seinen 51.000 km2 eines der kleinsten Länder Europas, aber überreich gesegnet mit Geschichte, Kultur sowie Flora und Fauna. Schätze, die neu entdeckt und bewahrt werden wollen. Die Natur ist berauschend schön, aber auch rau und ungezähmt. Das Land scheint mir der Ort zu sein, an dem sich der Mensch Mutter Erde und dem Universum näher fühlt als irgendwo sonst.

Text: Mirella Sidro
Bilder:
Aufmacher: Dženad Džino Photography
Bild 1 Hyundai IONIQ 5: Mirella Sidro
Bild 2 und 3 Ladesituationen: Mirella Sidro
Bild 4 Boutiquehotel innen: Mirella Sidro
Bild 5 Wald von oben: Faruk Osmanovic
Bild 6 Gebirgsfluss: Dženad Džino Photography
Bild 7 Falkner: Mirella Sidro
Bild 8 Pferde: Dženad Džino Photography
Bild 9 Steinkugel: Mirella Sidro
Bild 10 Fluss: Mirella Sidro