Bei der Komplettrenovierung des ehemaligen Hotel „Viennart“ neben dem Museumsquartier legten die Inhaber von Anfang an die konsequente Nachhaltigkeit als Hauptfokus und USP im neu zu definierenden Konzept fest. Schon von außen wird dieser Anspruch sichtbar, verfügt das Hotel Gilbert mit seinem Restaurant „& flora“ als eines der ersten Hotels und eines der wenigen Gebäude überhaupt in Wien über eine aufwändige, hochmoderne Grünfassade – ein Leuchtturmprojekt, das gemeinsam mit ExpertInnen von Green4Cities, einem internationalen Kompetenz-Zentrum für Urban Greens und nachhaltige Infrastruktur im urbanen Raum, geplant, und mit einem lokalen Partner umgesetzt wurde

Die grüne Hülle sorgt für Kühlung, saubere Luft und Lärmreduktion

‌‌Die Fassadenbegrünung des Gilbert wurde inzwischen in ein Forschungsprojekt der Universität BOKU Wien aufgenommen, in dem die tatsächlichen Auswirkungen bepflanzter Fassaden auf das Mikroklima in der Umgebung erstmals wissenschaftlich gemessen und ausgewertet werden. Die Untersuchungen erbrachten bereits eine Reihe von Benefits für das Hotel, aber auch seine Umgebung:

  • Die rund 350 Quadratmeter Grünfläche der Fassade speichert im Gegensatz zu konventionellen Fassaden keine Hitze, sondern kühlt im Gegenteil die Umgebung. Tropennächte werden vermieden.
  • Schädliche Schadstoffe und Staub werden vom dichten Laub festgehalten. Zusammen mit ihrer Verdunstungsleistung stellen Grünfassaden eine natürliche „Luftreinigungsanlage" mit sehr geringem Platzbedarf dar, sie produzieren noch dazu Sauerstoff und binden Kohlendioxid.
  • Dauergrüne Rankpflanzen zeigen im Winter einen Isolationseffekt und sparen Heizkosten. Gleichzeitig "kühlen" Wandbegrünungen im Sommer, indem sie die begrünten Bereiche vor starker Aufheizung bewahren.
  • Die Pflanzenhülle bildet ein „Schutzschild“ gegen Schlagregen und UV-Strahlung und erhöht dadurch die Lebensdauer der Fassade.
  • Begrünte Wände schlucken Schallwellen. Damit trägt die Wandbegrünung zum Lärmschutz bei.
  • Und nicht zuletzt bietet die begrünte Fassade auch Lebensräume für Tiere in der Stadt.    
Die begrünte Fassade setzt ein sichtbares Zeichen des ganzheitlichen Nachhaltigkeitsanspruchs

‌‌Überall grünt es

Begrünt ist im Gilbert nicht nur die Außenfassade, sondern auch der Großteil des Interieurs. Alle öffentlichen Bereiche im Hotel und Restaurant mit ihrer skandinavisch inspirierten Architektur aus Glas, Sicht-Beton und viel hellem Holz, sind dicht mit Pflanzen besiedelt. Selbstverständlich, dass auch jedes Zimmer mit einer Pflanze geschmückt ist. Das - nicht öffentlich zugängliche - begrünte Flachdach über dem Innenhof sorgt für Kühlung im Sommer und Dämmung im Winter. Zusätzlich wird es für den Anbau von Kräutern, Feigen und anderen essbaren Pflanzen genutzt, die dann in der Küche und als Dekoration auf den Cocktails der Gäste landen. Seit April 2023 hat das Gilbert zudem eine Bienenpatenschaft übernommen, seitdem wohnen im 17. Wiener Gemeindebezirk in der Nähe eines gemütlichen Heurigen der Gutsverwaltung Stift St. Peter in Dornbach 5 „&flora“ Bienenvölker! Stadthonig wird nachgesagt, in der Vielfalt des Geschmacks dem Landhonig sogar überlegen zu sein, da die Vielfalt der Pflanzen in der Stadt jene am Land noch übertrifft. Den Honig der hauseigenen Bienen gibt es am &flora Frühstücksbuffet und als Give-away im Shop, solange eben der Vorrat reicht. Im Sommer werden die Bienen im Rahmen eines Betriebsausfluges selbstverständlich dann auch vor Ort besucht.

Von der Natur dominierte Küche

Vegane und vegetarische Küche steht im Fokus des vielfach prämierten Restaurants „&flora“. Die Küchenchefin, Parvin Razavi, arbeitet nahezu ausschließlich mit Lebensmitteln in Bioqualität und setzt auf Regionalität und Saisonalität.

Haubenköchin Parvin Razavi serviert Ihren Gästen gerne eingemachte und eingelegte Köstlichkeiten

Partnerschaften mit lokalen Produzenten, eine faire Bezahlung und kurze Produktions- und Lieferwege finden hier genau so viel Beachtung wie eine artgerechte Haltung und nachhaltige Zucht, wenn österreichisches Fleisch oder Fisch aus Wien auf die Teller kommen.

Die Haubenköchin setzt auf Aromenreichtum. Und Gemüse.

Im hoteleigenen Restaurant erwartet die Gäste ein reichhaltiges Gourmet-Frühstücksbuffet mit einer opulenten Auswahl an verschiedensten Salaten und regionalen Köstlichkeiten. Die am Abend servierte Haubenküche ist als logische Konsequenz des Gesamtkonzeptes vegan-vegetarisch mit - Zitat Küchenchefin Parvin Razavi: „Fleisch und Fisch maximal als Beilage“.  Die regionale und saisonale Ausrichtung hat zur Folge, dass man etwa Avocados und andere exotische Produkte vergeblich auf der Karte sucht. Davon, dass dieses kulinarische Konzept dennoch oder gerade deshalb aufgeht, zeugt die Auszeichnung des „& flora“ mit 3 Hauben und seine Küchenchefin Parvin Razavi mit dem Titel „Gault Millau Newcomerin des Jahres“. Und dies bereits im ersten Jahr seit der Eröffnung.

Grundprinzipien der Küche: „Farm to Table“ und „From Leaf to Root“

Ausgewählte Lieferanten und qualitativ hochwertige Produkte machen die Grundlage von Parvin Razavis Küchenlinie aus. Dazu zählen u.a. Gemüseproduzenten wie „Krautwerk“ oder „Dirndln am Feld“, Brot vom familiengeführten Bäckereibetrieb „Öfferl“. Der saftige Wiener Beinschinken, eine regionale Spezialität, die von Slowfood als „Passagier der Arche des Geschmacks“ geadelt wurde, blickt bereits auf eine lange Tradition zurück: seit 1860 stellt ihn die Familie Thum in Wien her und bereichert damit das Frühstücksangebot im Gilbert.‌‌

In der Verarbeitung setzt die Küchenchefin auf die ganzheitliche Verwendung der Produkte und konserviert diese für späteren Gebrauch. Um nicht auf eine Vielfalt der Aromen verzichten zu müssen, spielt das Thema Einlegen und Fermentieren generell eine große Rolle – sauer eingelegte Rosinen, Quittenchutney oder grüne Mandeln umspielen beispielsweise die Gerichte.
Jede Schale, jedes Kraut, jeder Abschnitt wird weiterverarbeitet zu Fonds oder Eingelegtem.  So werden in den Sommermonaten Unmengen an Gemüse und Obst konserviert, die dann den ganzen Winter hindurch auf den Teller kommen.

‌‌Der kulinarische Stil: bunt und detailverliebt

Im Teheran geboren, kam Parvin Razavi mit acht Jahren nach Wien. Die Produkte, Gewürze und Düfte ihrer Kindheit verbindet sie mit vielfältigen weiteren Aromen, Zubereitungsweisen und Einflüssen. Zitat: „Rezepte sind dazu da, geändert zu werden.“ Die Kreationen von Parvin Razavi lassen eine Kategorisierung nicht zu, ist sie doch von  japanischen, orientalischen, libanesischen aber auch österreichischen Einflüssen inspiriert.  Zwar ist in den meisten Fällen das Gemüse der Star am Teller, aber auch Fleisch und Fisch säumen die Karte – von Mangalitzaschulter über X.O. Beef aus dem österreichischen Alpenvorland bis zum Wels aus Wien. Gemüse verarbeitet Parvin Razavi zu intensiven, hoch aromatischen Gerichten. In der Zubereitung geht die Küchenchefin durchaus ungewöhnliche Wege, wenn sie sich etwa bei der Kreation eines Portobello Pilzgerichts von den Geschmacksnuancen eines Zwiebelrostbratens inspirieren lässt.

Konsequente Nachhaltigkeit

Auch was die Klimatisierung betrifft, meint es das Hotel mit der Nachhaltigkeit ernst: Alle Klimaanlagen im Haus können nicht unter 22 Grad eingestellt werden. Eine Kühlung ist nur von Mitte Mai bis Mitte September möglich, und das nur bei Außentemperaturen von mehr als 27 Grad. Die grüne Fassade tut das Ihrige dazu. Gleichmäßige und angenehme Raumtemperaturen wirken sich positiv auf das Wohlbefinden der Gäste aus. Die Heizung erfolgt über Fernwärme, wobei die Räume nur bis maximal 23 Grad aufgeheizt werden. Detail: Die Erzeugung der Wiener Fernwärme erfolgt zu bereits 50% aus industrieller Abwärme, Müllverbrennung, Biomasse und Erd- und Umgebungswärme, und nur noch zu 50% mit Erdgas. Bis 2040 soll auch das restliche Erdgas ersetzt werden und die Fernwärme des Gilbert klimaneutral sein.

Klare Formen und umweltfreundliche Materialien bestimmen das Interieur der Zimmer

Die Kosmetika auf den Zimmern stammen ausschließlich von der Firma Lederhaas in Österreich, die zu 100% ohne Tierversuche auskommt und rein auf biologische Wirkstoffe setzt. Auf kleine Shampoos & Co wird verzichtet – das Housekeeping Team füllt alle Spender täglich auf und reinigt diese. Beim Einkauf von Gebrauchsartikeln wird streng auf deren Umweltverträglichkeit geachtet. Dies gilt für Papier ebenso wie für Amenities aus Bambus und Holz, Schlapfen aus nachhaltigen Stoffen und vielem mehr. Die Wäscherei und viele Lieferanten sind umwelt-, bio- oder demeter-zertifiziert.

Und ein weiteres Projekt ist bereits in Planung: Künftig soll im Gilbert ausschließlich mit Heißwasserdampf bei 90° Celsius ganz ohne Reinigungsmittel geputzt werden. Mit dem Verleih von Fahrrädern und E-Vespas werden die Hotelgäste zu motiviert, Wien umweltbewusst zu entdecken.

Teil des „Change maker“-Netzwerks

Das Hotel Gilbert ist Mitglied einer Kooperation von innovativen Familien- oder Eigentümer-geführten Gastbetrieben, den „Change Maker Hotels“. Diese Visionäre der Tourismusbranche stellen sich ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen und entwickeln Ideen und Lösungen, um ihren Gästen einen achtsamen Aufenthalt von hoher Qualität mit Respekt für die Natur, Tiere und Menschen zu ermöglichen.

Bei der Auswahl der Change Maker Partner werden 11 Kriterien vorgegeben, bei mindestens drei leisten die jeweiligen Betriebe besondere Innovationsarbeit. Die Faktoren beziehen sich u.a. auf die Bereiche gesundes Essen, Mitarbeiter-Fairness, regionale Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft, soziale Verantwortung und Mobilität.‌

‌‌https://www.hotel-gilbert.at/‌‌
https://www.undflora.at/

Lebensmittel-Lieferanten:‌‌
https://www.slow-food.at/arche-des-geschmacks/l/wiener-beinschinken‌‌
https://www.slowfood.at/genussfuehrer/l/krautwerk‌‌
https://dirndlnamfeld.bio/‌‌
https://www.oefferl.bio/

Kochbücher von Parvin Razavi :
‌‌https://neukirchener-verlage.de/vegan-oriental.html
https://verlagshaus24.de/teheran

Kosmetik:‌‌
https://www.lederhaas-cosmetics.com/

Hotelkooperation:‌‌
https://changemakerhotels.com/

Text: Peter Grett‌‌
Bilder:‌‌
Aufmacher: Michael Königshofer‌‌
Bild 1 Fassade: Tony-Gigov-Photography‌‌
Bild 2 Parvin Razavi: Florence Stoiber‌‌
Bilder 3-5 Speisen: Florence Stoiber‌‌
Bild 6 Epic Loft: Gregor Hofbauer

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